Teure Medikamente: Segen oder eher Gefahr für Patienten
Normalerweise schätzen Patienten es sehr, wenn Ihr Arzt teure Medikamente verordnet. Sie nehmen an, daß dies eine besondere Wertschätzung bedeutet. Für einen Insider stellt sich die Sache jedoch differenzierter dar: Gute und seit langem erprobte und bewährte Medikamente haben in der Regel keinen Patentschutz mehr, so daß die Preise durch den scharfen Wettbewerb stark gefallen sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss, daß teure Medikamente
normalerweise neu und daher unerprobt sind. Wenn man die Entwicklung auf dem Medikamentenmarkt über die Jahre verfolgt hat, stellt man fest, daß die große Mehrzahl der neuen Medikamente auch keinen echten Fortschritt in der Therapie darstellt , sondern in der Regel Veränderungen oder angebliche Verbesserungen von längst bekannten und bewährten Medikamenten sind. Natürlich bestätigt auch hier die Ausnahme die Regel: Es gibt
selbstverständlich immer wieder einzelne bahnbrechende neue Medikamente, z. B. heutzutage gegen bestimmte Krebsarten, gegen chronische Virusinfektionen oder gegen chronisches Gelenkrheuma und andere Autoimmunerkrankungen, die sehr wertvoll sind. Aus langer Erfahrung weiß ich allerdings, dass 90% aller neuen Medikamente nach wenigen Jahren vom Markt verschwunden sind, weil sie entweder schlechter wirken als die bisher bekannten Standardmedikamente oder
sogar seltene, aber gefährliche Nebenwirkungen haben, die wegen ihrer Seltenheit naturgemäß manchmal erst Jahre nach der Zulassung erkannt werden können. In diesem Zusammenhang spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle: Neue Medikamente müssen glücklicherweise eingehend erprobt und dokumentiert werden. Daher sind die Arzneimittelfirmen zur Recht verpflichtet, zumindest am Anfang sogenannte Anwendungsbeobachtungen durchzuführen, bei denen dann auch seltenere
unangenehme Nebenwirkungen erkannt werden können. Oft wird dies aber von den Arzneimittelfirmen ausgenützt, um durch lukrative Vergütung dieser Anwendungsbeobachtungen die Absatzchancen zu erhöhen. Dies ist sicher ein schwer vermeidbares Dilemma: Einerseits sind solche Anwendungsbeobachtungen zur Sicherheit unumgänglich, zum anderen bergen sie aber die Gefahr, daß die Ärzte wegen der dadurch erreichten finanziellen Vergütung eher oder unkritischer neue und potentiell
gefährliche Medikamente verordnen. Es gilt also immer kritisch Vor- und Nachteile einer neuen Medikation sorgfältig abzuschätzen. Andererseits würde ein nur von Kritik geprägtes Vorgehen die Erprobung neuer Medikamente vollständig verhindern, was natürlich auch nicht sinnvoll erscheint. Verbesserungen müssten meiner Ansicht nach von den Ethikkommissionen kommen, die die Arzneimittelversuche überwachen und ihre Aufgabe meiner Meinung nach in verwerflicher Weise falsch ausüben:
Ein unverzeihlicher Kardinalfehler vieler Arzneimittelprüfungen ist es, daß die Ethikkommissionen die Auftraggeber, also die Arzneimittelfirmen, nicht verpflichten, sämtliche Untersuchungen und Anwendungsbeobachtungen, die sie durchführen, zu veröffentlichen. Dies führt dazu, daß Pharmafirmen verführt werden, ihnen unangenehme Ergebnisse der Öffentlichkeit vorzuenthalten oder zumindest einseitig wiederzugeben. Dieser Skandal wird in
Fachkreisen seit langem beklagt, ohne daß Abhilfe geschaffen wird. Offensichtlich haben viele Professoren, die in den Ethikkommissionen sitzen, Angst, daß ihnen Forschungsaufträge entgehen, wenn die Pharmafirmen statt dessen in anderen Ländern mit willigeren Ethikkommissionen forschen lassen.. Dabei wäre es für die Pharmafirmen selbst interessant, wenn die Forschungsergebnisse weltweit vollständig veröffentlicht werden: Massive Schadensersatzforderungen
wegen Vertuschens von Nebenwirkungen würden entfallen. Generell wären die Forschungsaufgaben sinnvoller angewandt, da schlechte Ergebnisse schneller bekannt und zum schnellerem Rückzug der strittigen Produkte führen, mithin Absatz und Forschung von falschen Zielen und Fehlenwicklungen abgehalten werden. Vor allem wäre das Ansehen der Forschung in einem Land, das generell eine vollständige Veröffentlichung aller Erprobungen an Menschen fordert, ein massives
Qualitätsmerkmal, das anderen Ländern, die bisher weniger restriktiv vorgehen, fehlen würde. zum Anfang |